Unser Autor Michael Zeller feiert in diesen Tagen seinen 80. Geburtstag. Wir gratulieren herzlich und wünschen noch viele weitere Jahre voller Schaffenskraft. 1944 in Breslau, dem heutigen Wroclaw, geboren studierte er Literatur, Philosophie und Klassische Archäologie…
K.J. Sartor: Schreiben im Alter
Wer vom Romandebüt eines hochbetagten Menschen erfährt, könnte verständnislos fragen: Musste das sein? Er oder sie könnte das neue Werk aber auch erwerben (oder ausborgen) und offenen Sinnes lesen, und so möglicherweise feststellen, dass es für Kreativität keine scharfe Obergrenze gibt. Wer im Alter einen Verlag finden will, muss nämlich dasselbe können wie publizierte jüngere Autorinnen und Autoren. Denn es gibt keinen Altersbonus, ja die Anforderungen sind oft höher, da aus Verlagssicht die Zeit fehlt, eine literarische »Marke« aufzubauen. So sehr sie sich mehr der Kunst als dem Kommerz verpflichtet fühlen, auch Belletristik-Verleger wollen ihre »Produkte«, Romane, Anthologien etc., verkaufen. Die Fähigkeit, sich Geschichten auszudenken und so erzählen, dass diese gern gelesen werden, nimmt zwar irgendwann wieder ab, doch wie früh im Leben und wie rasch dies geschieht, ist individuell verschieden.
Indes, wer nie mit Ausdauer und Anspruch geschrieben hat, etwa als Journalistin, als Sachbuchautor oder als Verfasserin eines Tagebuchs, wird es schwer haben (von den Genies sehe ich hier ab). Um einen Roman in Angriff zu nehmen, bedarf es nämlich handwerklicher Fertigkeiten, zu deren Erwerb, Talent hin oder her, meist Jahre nötig sind, oft mehr als zehn. Selbst Autoren vieler Sachbücher oder Verfasserinnen von Zeitungsartikeln und Essays allerlei Art benötigen Zeit, sich auf literarisches Schreiben umzustellen. Dazu gehört der Erwerb eines Gespürs für die notwendige Erzählstruktur samt passendem Ton, der Fähigkeit, »unvergessliches« Romanpersonal zu erschaffen, sowie des Geschicks, die Leselust auf den ersten Seiten des Romans zu wecken – und sie bis zum Schluss zu halten.
Wichtig erscheint mir, einen Schreibstil zu entwickeln, mit dem man selbst im Einklang ist. Sich einen angepassten, den Marktwünschen folgenden Stil zuzulegen, kommt mir wie ein Verrat am eigenen Wesen vor. Im Stil einer vergangenen Epoche zu schreiben, ohne es zu wollen, lässt sich durch Lektüre von Gegenwartsliteratur vermeiden. Einen die Literaturkritik begeisternden neuen Schreibstil zu erfinden, kann auch einem alten Debütanten gelingen, kommt aber wohl eher bei der schriftstellerischen Jugend vor.
Zurück zum Anfang, zur möglichen Verständnislosigkeit: Musste das sein? Ja, vielleicht steckt darin das berühmte Körnchen Wahrheit: Wer im Alter literarisch schreibt (oder sonst wie Kunst macht), fühlt sich dazu gedrängt. Besonders gilt das für Menschen, die früh zu den Musen hingezogen waren, sich aber nicht trauten, ihr Leben der Kunst zu widmen. Gründe für den mangelnden Mut gibt es zu Hauf, darunter natürlich auch die (oft unbewusste) Erkenntnis, es »nicht wirklich drauf zu haben«. Aber vielleicht ist es ja auch nie zu spät, ein kreatives Leben geführt zu haben – neben einer glücklichen Jugend, wie der Aphorismus sagt. Und das Alter liefert Gott sei Dank meist auch die Mittel, mit berechtigter wie missgünstiger Kritik gelassen umzugehen.
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