K.J. Sartor: Mein Schreibprozess

Wer erst einen Roman veröffentlich hat, gilt mit Blick auf literarisches Schreiben kaum als Autorität. Entsprechend werde ich hier nicht den Fachmann oder Mentor geben, sondern lediglich mitteilen, wie ich zu meinen Geschichten komme.

Zunächst: Ich habe ausreichend »Sitzfleisch«, und niemand nennt mich unorganisiert. Doch so gewissenhaft ich zumeist bin, so gern lasse ich meinen Gedanken freien Lauf. Assoziationen fallen mir leicht, das heißt, ich erkenne sprachlich wie inhaltlich rasch, was sich literarisch verbinden beziehungsweise nutzen lässt. Dies gilt für Recherchen in Bibliotheken oder im Netz wie für Wörter, die mir aus den zehn Fingern gerade auf den Monitor gesprungen sind. Manchmal schieße ich übers Ziel hinaus, merke aber gewöhnlich bald den Überschwang und korrigiere. So wie Rennfahrer richtig schnell nur werden, wenn sie sich auch mal aus der Kurve tragen lassen, lernen wir Erzähler nur, wenn wir’s auch mal überborden lassen. Wir müssen nur erkennen, was stehen bleiben kann und was nicht. Selbstkritik ist beim literarischen Schreiben so wichtig wie der Glaube ans eigene Talent und der Wille, nie aufzugeben.

Zu Beginn meines ernsthaften Schreibens vor gut 15 Jahren fehlte es mir, dies weiß ich jetzt, vor allem an Strukturierung. Sprache sei nicht mein Problem, hörte ich bald und freute mich. Plot müsse her, hörte ich dann – und vergaß die Mahnung zunächst. Sprachlich-assoziativ sich auszuleben, ohne Wendepunkte anzupeilen, war einfach zu angenehm! Inzwischen bin ich zu einem Autor mutiert, der zwar weiterhin nicht alles vorstrukturiert, doch seine Geschichte erst einmal zu Ende denkt und ihr ein Gerüst verpasst, also dramaturgische Plot Points setzt. Und auf diese dann hinschreibt …

Woher meine Romanideen stammen? Als jemand, der studien- wie berufsbedingt »herumgekommen« ist und ein hohes Alter erreicht hat, besitze ich eine beachtliche Sammlung an Erlebnissen und Erfahrungen, aus der ich literarisch schöpfen kann. An eine Autobiographie habe ich dennoch nie gedacht. Wobei es schriftstellerisch wohl unmöglich ist, das eigene Leben ganz aus den Texten herauszuhalten. Warum es aber Verlustgeschichten sind, die mich animieren und zum Schreiben bringen, müsste mir mal eine Psychoanalytikerin erklären. Mein eigenes Leben, so bewegt es war, ist nicht tragischer als das der meisten Menschen gewesen.

Was die Schauplätze meiner Geschichten betrifft, so kann ich auf einen Foto-Fundus zurückgreifen, der bis in die Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts reicht. Inspiriert werde ich durch eigene Aufnahmen schlicht mehr, als wenn ich im Internet stöberte. Notfalls reise ich noch mal hin, wie ich’s 2021 gemacht habe, um der Zugreise des Protagonisten Alex von Dublin nach Sligo (erzählt am Anfang von »Irish Blues) wie auch dessen Autoreise (zusammen mit einer der Protagonistinnen, Raquel) von Sligo nach Dublin die nötige Authentizität zu verleihen.

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